Jahrelang fuhr Angela Merkel gut mit dem Image als oberste Kümmererin der Nation. Doch dieser Ansatz funktioniert in Krisenzeiten nicht mehr. Für ihre vierte Spitzenkandidatur muss die Kanzlerin ihren Stil ändern. Schafft sie das? Dass die Verteidigung des Kanzleramts im kommenden Jahr für die CDU kein Selbstläufer wird, ist Angela Merkel durchaus bewusst. "Diese Wahl wird wie keine zuvor, jedenfalls seit der Deutschen Einheit nicht, schwierig", betonte die Kanzlerin, als sie am Sonntag ihre vierte Spitzenkandidatur erklärte. Die CDU werde mit Anfechtungen von allen Seiten" zu tun bekommen - und mit einer "starken Polarisierung". Im Klartext: Auf Deutschland kommt ein Wahlkampf zu, der diese Bezeichnung auch verdient. Für Angela Merkel ist das eine schwierige Aussicht. Schließlich holte sie ihre letzten beiden Wahlsiege vor allem mit einer Strategie der Konfliktvermeidung. Die CDU-Chefin umarmte ihre politischen Gegner geradezu und raubte ihnen so die Luft zum Atmen. Dem Wahlvolk präsentierte sie sich gleichzeitig als bodenständige Kümmererin, die das Land schon gut und sicher durch die nächsten Jahre bringen werde. Verschlechterte Zustimmungswerte Lange ist die CDU mit diesem Ansatz gut gefahren. Doch spätestens seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise funktioniert er nicht mehr. Im aktuellen Deutschlandtrend liegt die Union heute bei 33 Prozent - und damit deutlich unter dem Wahlergebnis von 2013. Auch die persönlichen Zustimmungswerte der Kanzlerin haben gelitten. Zuletzt waren noch 52 Prozent der Deutschen mit ihrer Arbeit zufrieden. Vor eineinhalb Jahren lag dieser Wert noch stabil über 70 Prozent. "Die Flüchtlingskrise hat die Zustimmungswerte der Kanzlerin deutlich verschlechtert", erklärt Michael Kunert, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, im Gespräch mit tagesschau.de. Angesichts der derzeitigen Verunsicherung in der Bevölkerung müsse die CDU im Wahlkampf "Orientierung und Zuversicht" bieten, um wieder in die Offensive zu kommen. Ende der Idylle "Dieser Wahlkampf wird ganz anders als der letzte", sagt Lutz Meyer. 2013 entwarf der Berater die Wahlkampagne, die Merkel das dritte Mal die Kanzlerschaft sicherte. Meyer setzte damals auf warme Farben und Bildmotive, die eine heile, ja idyllische Welt zeigten. Auf einem Plakat stand: "Deutschlands Zukunft in guten Händen." Es war ein Wahlkampf, der zur damaligen Stimmung im Land gut passte. Die Wirtschaft lief, die Arbeitslosigkeit sank, die Euro-Krise war weit weg. Heute sieht das anders aus. Merkels selbst sprach in ihrer Erklärung am Wochenende die Verunsicherung durch Brexit, Trump, Ukraine-Krise und Flüchtlinge an. Dies werde auch Auswirkungen auf den Wahlkampf haben, ist sich Ex-Kampagnenchef Meyer sicher. Es geht wieder um was", so Meyer zu tagesschau.de. "Dieser Wahlkampf wird sich um ernste Fragen wie Identität, Integration, Werte, Weltordnung und Krieg drehen." Sicherheit und Optimismus "Die Probleme sind heute andere als noch 2013", sagt Nico Lange, Leiter des Teams Innenpolitik der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Die Deutschen seien heute sicherheitsorientierter, so Lange im Gespräch mit tagesschau.de. Für die Christdemokraten sei dies ein Vorteil, da der Partei in den Bereichen innere und äußere Sicherheit traditionell hohe Kompetenzwerte zugeschrieben würden, erklärt er. Doch reicht diese traditionelle Stärke aus, um auch die nächste Bundestagswahl zu gewinnen? Schließlich hat die CDU es durch die AfD nun erstmals mit einer ernstzunehmenden demokratisch legitimierten Partei zu tun, die sie von rechts unter Druck setzt. Lange glaubt jedoch, dass die Union auch diese Herausforderung bewältigen kann. "Der diffusen Unzufriedenheit einiger Wähler muss die CDU einen positiven Blick auf die Zukunft entgegensetzen", erklärt der KAS-Experte. Wie rechts kann Merkel? Themen wie Digitalisierung, Forschung und Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit seien deshalb auch in einem Wahlkampf, der von Sicherheitsthemen dominiert werden dürfte, nicht zu vernachlässigen. "Diese Felder sind heute deutlich weniger abstrakt als noch vor vier Jahren", so Lange. Hier die richtige Mischung für die bevorstehende Kampagne hinzubekommen, sei allerdings eine Herausforderung. Leicht dürfte dieser Spagat für Merkel tatsächlich nicht werden. Die Kanzlerin steht seit Jahren für eine Modernisierung der Union. Einen Rückfall in den klassischen Law-and-Order-Konservatismus dürfte sie kaum glaubhaft vertreten können. Auch öffentlich erteilte sie einer solchen Kursänderung bereits eine Absage. Sie halte nichts von nationalistischer Abschottung, sagte sie in der Talkshow Anne Will.